Ein 20 Jahre alter Mietspiegel ist mangels eines aktuellen Informationsgehalts zur Begründung eines Mieterhöhungsverlangens ungeeignet. So hat der Bundesgerichtshof (BGH) in einem Verfahren über die Wirksamkeit von Mieterhöhungsverlangen unter Bezugnahme eines 20 Jahren alten Mietspiegels entschieden (Urteil vom 16.10.2010, Az. VIII ZR 340/18). Das entsprechende Mieterhöhungsverlangen des Vermieters wurde bereits aus formellen Gründen für unwirksam erklärt.

Vermieter begründet Mieterhöhungsverlangen mit 20 Jahre altem Mietspiegel
Zwischen den Vertragsparteien bestand seit dem 01.04.2014 ein Mietvertrag über eine 79 Quadratmeter große Wohnung in Magdeburg. Mit Schreiben vom 19.01.2017 forderte der Vermieter den Mieter zur Zustimmung zu einer Erhöhung der Kaltmiete von 300 Euro ab dem 01.04.2017 um 60 Euro auf insgesamt 360 Euro auf. Demnach sollte die eine neue monatliche Kaltmiete 4,56 Euro je Quadratmeter betragen.
Die Ortsüblichkeit der geforderten Kaltmiete begründete der Vermieter mit einem Mietspiegel für die Stadt Magdeburg aus dem Jahr 1998. Er ordnete die Wohnung entsprechend ihrem Baujahr, ihrer Ausstattung, Lage und Größe innerhalb dieses Mietspiegels ein. Unter Berücksichtigung des Mietspiegels aus dem Kalenderjahr 1998 entsprach eine Mietpreisspanne zwischen 9 DM und 14 DM je Quadratmeter der ortsüblichen Vergleichsmiete. Die begehrte neue monatliche Kaltmiete in Höhe von 4,56 Euro je Quadratmeter lag daher im unteren Bereich der ortsüblichen Vergleichsmiete im Jahr 1998.
Der Mieter stimmte der Mieterhöhung nicht zu. Deshalb klagte der Vermieter vor dem örtlich zuständigen Amtsgericht auf Zustimmung zur Mieterhöhung. Die Klage wurde in zwei Instanzen abgewiesen. Nun hatte der BGH in letzter Instanz über diesen Rechtsstreit zu entscheiden.
Ein wirksames Mieterhöhungsverlangen muss formell und materiell rechtmäßig sein
Der Vermieter kann in bestimmten zeitlichen Abständen einseitig eine Mieterhöhung auf Basis der ortsüblichen Vergleichsmiete fordern. Die entsprechenden Voraussetzungen sind in §§ 558 ff. Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) geregelt. Die begehrte erhöhte Miete gilt nur dann, wenn der Mieter der Mieterhöhung zustimmt.
Stimmt der Mieter nicht zu, muss der Vermieter auf Zustimmung zur Mieterhöhung klagen. In diesem Verfahren prüft das Gericht dann, ob das Mieterhöhungsverlangen formell und materiell rechtmäßig ist. Materiell rechtmäßig ist das Mieterhöhungsverlangen im Wesentlichen immer dann, wenn die neue begehrte monatliche Kaltmiete ortsüblich ist. Dies ist in der Regel streitig, weshalb das Gericht diesbezüglich meistens ein Sachverständigengutachten einholt.
Bevor es dazu kommt, muss jedoch zunächst geklärt werden, ob die Mieterhöhung formell rechtmäßig ist. Die formellen Voraussetzungen sind in § 558a BGB geregelt. Das Mieterhöhungsverlangen muss dem Mieter in Textform zugestellt werden und die Ortsüblichkeit der neuen begehrten Miete kann mit einem der folgenden Hilfsmittel begründet werden:
Entscheidung des BGH: 20 Jahre alter Mietspiegel hat keinen relevanten Informationsgehalt
Im Ergebnis ist der BGH trotz des eindeutigen Wortlautes des Gesetzes zu der Auffassung gelangt, dass ein 20 Jahre alter Mietspiegel nicht verwendet werden darf. Dies hat er wie folgt begründet:
Sinn und Zweck der Bezugnahme eines Mietspiegels sei es, dem Mieter die Möglichkeit zu geben, die sachliche Berechtigung des Erhöhungsverlangens zu überprüfen. Dies sei bei einem fast 20 Jahre alten Mietspiegel nicht möglich. Er beruhe auf überholten Tatsachen, die Rückschlüsse auf die zum Zeitpunkt des Erhöhungsverlangens in der näheren Umgebung gezahlten Mieten nicht zuließen. Innerhalb von 20 Jahren seien wesentliche Änderungen der Mieterstruktur wahrscheinlich. Ein 20 Jahre alter Mietspiegel habe daher keinen Informationsgehalt.
Mit einem „veralteten Mietspiegel“ gemäß § 558a Abs. 4 Satz 2 BGB sei daher kein 20 Jahre alter Mietspiegel gemeint, so der BGH. Dies ist vor dem Hintergrund zu sehen, dass das Gesetz grundsätzlich von einem Aktualisierungserfordernis für Mietspiegel alle zwei Jahre ausgeht.
Vermieterwelt-Tipp
Der BGH hat mit seinem Urteil zwar die Klage eines Vermieters abgewiesen, also nicht vermieterfreundlich entschieden. Bei näherer Betrachtung ist die „neue“ Rechtslage jedoch für Sie als Vermieter positiv.
In der Praxis sind die im Mietspiegel dargestellten Mieten tendenziell deutlich geringer als die aktuellen marktüblichen Mieten. Sofern ein qualifizierter Mietspiegel vorliegt, sind Sie als Vermieter jedoch gemäß § 558a Abs. 3 BGB dazu verpflichtet, auf diesen hinzuweisen. Nach dieser Entscheidung des BGH ist das jedoch nicht notwendig, wenn lediglich ein sehr alter Mietspiegel existiert. Da die alten Mieten sehr wahrscheinlich geringer als die aktuellen waren, dürfte das Urteil einen Vorteil für Sie bringen: Denn wenn nur ein alter Mietspiegel vorliegt, können Sie Ihr Mieterhöhungsverlangen unter Bezugnahme auf drei Vergleichswohnungen begründen, deren Miete sehr wahrscheinlich höher liegt als im alten Mietspiegel angegeben.